Streifende Aldebaranbedeckung am 29.7.2016
2016 sind in Deutschland 2 streifende
Bedeckungen von Aldebaran zu beobachten. Das Ereignis vom 20. Januar
ist
schon vorbei, und das Ereignis vom 13. Dezember fällt auf
Vollmond und findet an der Küste nah am Horizont statt.
Für Süddeutschland war jedoch am 29. Juli für 12:20 UT eine streifende Bedeckung am Taghimmel vorhergesagt.
Der
Mond sollte nur 24 Grad hoch im Westen stehen. Dennoch war die
Geometrie günstig. Weniger als 5 Tage vor Neumond war die
Sichel schwach beleuchtet und mit einem Rotfilter war ein guter
Kontrast zum Roten Riesen Aldebaran zu erwarten.
Der Sonnenabstand lag bei 60 Grad und das
Himmelsblau konnte mit einem Polfilter zusätzlich reduziert
werden.
Das beste war jedoch die Lage der Grazeline. Sie lief direkt
über den S-Bahnhof von
Geltendorf nur 40km westlich von München. Die Bedeckungslinie
war in der Mittagspause mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu
erreichen! Entsprechend wurden mit einem 72mm ED-Refraktor
und einer Reisemontierung nur leichte Ausrüstung
eingepackt.
2 Tage vor dem Ereignis waren die Wetterprognosen gut, verschlechterten sich jedoch bis zur Bedeckung. Am Zielort war der Himmel zu 60% bewölkt und die schmale Mondsichel war im Wolkenmeer nicht zu finden.
Ich stand in einem sumpfigen Feld 400m südlich vom Bahnhof.
Die Füße waren naß und freche Stechfliegen
summten herum.
5min vor der Bedeckung hatte ich jede Hoffnung aufgegeben, doch 3min vor der Bedeckung fand sich der Mond im Fernglas. Die Situation war an Dramatik nicht zu überbieten. 2 min vor der Bedeckung war er im Teleskop eingestellt. Durch den Adrenalinstoß zitterten die Hände so sehr, dass eine Scharfstellung der Kamera kaum möglich war. 60s vor der Bedeckung wurde das Video gestartet. Mond und Aldebaran waren in einem knallblauen Wolkenloch bestens zu sehen und der Graze konnte auf dem Livebild am Laptop gut verfolgt werden. Es gab 4 Verfinsterungen, also 8 Kontakte.
Das Fernrohr auf der Reisemontierung zitterte im Wind, doch mit etwas Bildverarbeitung ist ein schönes Video herausgekommen.
Das
Video teilt sich in 2
Bereiche. Die erste Hälfte zeigt eine rezentrierte
Ausschnittsvergrößerung des Mondpols und die zweite
Hälfte zeigt den rezentrierten Mond in Gesamtansicht. Bei der
Gesamtansicht sind neben der Verfinsterung viele durchziehende
Pollen zu erkennen. Das Video sollte am besten im Fullscreenmodus
angeschaut werden
Aldebaran und Aldebaran besitzen als Rote Riesen eine so
große
Fläche, dass bei einer streifenden Bedeckung eine partielle
Abdeckung (Fading) zu sehen ist. Das Seeing war in der Mittagshitze so
schlecht, dass der Stern für ein sichtbares
Fading zu stark
flackerte. Eine Ausnahme bildete der Zeitraum um den 7 Kontakt. Hier
streifte der Stern ein letztes mal einige Bergspitzen und das Fading
verteilte sich über
mehrere Bilder. Beim mehrfachen durchlaufen des Videos ist hier ein
sichtbarer Unterschied zum normalen Seeingflackern zu erkennen.
Folgende Daten wurden ermittelt.
12:22:26,185
- 12:22:39,296 Dauer 13,11 s
1+2 Kontakt
12:22:56,296 - 12:23:34,815 Dauer 38,52
s 3+4 Kontakt
12:23:34,889 - 12:23:36,889 Dauer 2,00 s Sichtbarkeit zwischen 4 und 5 Kontakt
12:23:36,926
- 12:23:41,296 Dauer 4,37
s 5+6 Kontakt
12:23:47,889 - 12:23:48,519
Dauer 0,63
s 7+8 Kontakt
(Fading ab 12:23:47,63?)
Die Auswertung der Kontakte bestätigte die Genauigkeit der Daten der Raumsonde Kaguya.
Neben der japanischen Sonde Kaguya hat
auch die amerikanische Sonde LRO die Höhen des Mondprofils
ausgemessen. Bei der Prognose des Mondrandes gibt es zwischen den
Profilen der beiden Sonden kleine Abweichungen. Für den Graze
vom 29.7. in Geltendorf sind 7 der 8 Kontakte deckungsgleich, doch beim
3. Kontakt gibt es eine kleine, aber signifikante Abweichung,
die näher untersucht wurde.
Zwischen dem 2. und 3. Kontakt lag die Sichtbarkeit bei 16,96s. Dies
entspricht auf der folgenden Grafik der Länge der blauen Linie.
Die Messung passt gut zu den LRO-Daten aber nicht zu
Kaguya.
Das es bei den Grazes neben dem ästhetischen Wert auch heute noch noch einen Erkenntnisgewinn gibt, ist schon erstaunlich.
Nach dem Graze entstanden noch 2 Übersichtsbilder. Aldebaran hatte sich 6 min nach der Bedeckung schon deutlich vom Mond gelöst.