Fotografie mit der Mintron Videokamera


von Bernd Gährken und Martin Elsässer


Zusammenfassung

Mit den von der Firma Lechner-CCTV (http://www.lechner-cctv.de) in Deutschland vertriebenen Videokameras der Firma Mintron ist es erstmalig möglich, mit einer ungekühlten Videokamera Deep-Sky-Aufnahmen mit einer Qualität zu erstellen, die bislang nur mit g ekühlten CCDs erreicht werden konnte. Die Anforderungen an die Fernrohrmontierungen sind deutlich geringer als bei normaler CCD-Fotografie. Die durch das Live-Bild gegebene Möglichkeit der direkten, "elektronischen" Beobachtung ist für öffentliche Sternwar ten eine interessante Option.


Technik

Diese Videokameras sind als Überwachungskameras für schlecht beleuchtete Außen- und Innenräume entwickelt worden. Die hier behandelte Mintron MTV-12V1-EX Kamera verwendet als Lichtsensor einen neu entwickelten Sony EX-View HAD-CCD-Chip mit Mikrolinsen, der sich durch eine hohe Quantenausbeute, ein breites Empfindlichkeitsspektrum bis weit ins Infrarot und eine gute Ausnutzung der Detektorflächen auszeichnet. Durch diese Merkmale verfügen die Chips auch bei Zimmertemperatur über ein sehr gutes Signal-zu-Raus chverhältnis.


Wie bei allen Videokameras beträgt auch bei der Mintron die Belichtungszeit nur 1/50 Sekunde. Intern können aber bis zu 128 Bilder aufaddiert werden, so das sich insgesamt eine Integrationszeit von 2,56 sec ergibt. Die Kamera erzeugt am Ausgang ein normale s Videosignal. Bei der maximalen Integrationszeit wird dann alle 2,56 Sekunden ein neues Standbild am Ausgang angezeigt. Die mit dieser Belichtungszeit erreichte Grenzgröße übersteigt bei fast jeder Optik die visuelle Grenzgröße um mehrere Magnituden. Das Videosignal kann mit normalen Videokabeln (Composite oder SVHS) übertragen und auf einem Monitor/Fernseher betrachtet werden. Schon in diesen "Live"- Bildern ist, gänzlich unabhängig von Dunkeladaption oder Beobachtungserfahrung, eine große Menge an feinen Details in den Objekten zu sehen. Abb. 1 zeigt eine derartige Einzelaufnahme.


Bei den Live-/Rohbildern ist sofort auffällig, dass der linke Rand deutlich heller ist, als der Rest der Fläche. Auch sind bei allen Kameras einzelne, ständig weiße Bildpunkte zu sehen, die sich von Kamera zu Kamera unterscheiden. Die Anzahl dieser Bildpun kte nimmt mit steigender Umgebungstemperatur stark zu. Diese störenden Einflüsse auf das Bild, die bei "echten" astronomischen CCD-Kameras durch Kühlung und entsprechende Beschaltung vermieden werden, können durch digitale Bildverarbeitung weitgehend besei tigt werden.


Fotografie

Zur Fotografie muß das Videosignal der Kamera in den PC eingespeist werden, um dann dort Bilder digital zu erfassen und abspeichern zu können. Für dieses sog. "Framegrabbing" bietet der Markt verschiedene Lösungen an: Einerseits haben heute viele normale G rafikkarten in PCs ausreichende Grabbingfähigkeiten, andererseits gibt es, z.B. für Notebooks, externe Framegrabber, die Bilder aufnehmen können. Bei den externen Lösungen, vor allem wenn Sie die schnelle "FireWire" (IEEE1394) Schnittstelle haben, ist aber mit höheren Kosten zu rechnen. Wer bei der Beobachtung vom Notebook unabhängig sein möchte, kann auch das Mintron-Signal über den SVHS-Ausgang auf eine normale Videokamera leiten und dort zwischenspeichern. Die Bänder können dann zuhause in Ruhe ausgelese n und am Desktop verarbeitet werden.


Zur eigentlichen Bildaufzeichnung gibt es recht brauchbare Freeware-Tools. Bewährt haben sich u.a. 'Virtual-Dub' (http://www.virtualdub.org) und 'Giotto' (http://www.giotto-software.de). Bei meinen Aufnahmen wurde ein einfaches aber gut funktionierendes Gr abbing-Programm von Martin Elsässer (http://www.mondatlas.de/optik/mintron/fwgrab.html) verwendet, dass speziell für die benutzte Hardware geschrieben wurde und die automatisierte Verarbeitung der aufgenommenen Bilder unterstützt.


Fotografie mit der Mintron besteht immer aus der Aufnahme mehrerer, ggf. vieler hundert Einzelbilder eines Objekts, der "Addition" der Einzelbilder und der weiteren Bearbeitung der so entstehenden Summenbilder. Für die astronomische Bildbearbeitung hat sic h das frei erhältliche Programm 'Giotto' von Georg Dittiè mittlerweile zur Standardsoftware entwickelt. Besonders interessant ist hier die Addition mehrerer Bilder und die Anwendung von Darkframes und Flatfields.


Flatfields werden vor allem bei hellen, flächigen Objekten wie Mond und Sonne benötigt, um ungleichmäßige Empfindlichkeit der Sensorpixel, Vignettierung und Verunreinigung des optischen Systems auszugleichen. Im Deep-Sky-Bereich ist allerdings das Darkfram e wichtiger. Mit Darkfarmes wird der ungleichmäßig aufgehellte Hintergrund abgezogen, der ja schon im Livebild sichtbar ist.


Ein Darkframe wird gewonnen, indem man nach der eigentlichen Aufzeichnung der Bilder des Objekts mit abgedeckter Kamera noch einmal einige Bilder extra speichert. Diese Bilder werden separat gemittelt und das so gewonnene Bild bei der Addition der Objektbi lder als Referenz hinterlegt. Abb. 2 zeigt ein derartiges Darkframe. Neben dem vom Rohbild bekannten Helligkeitsgradienten sind mehrere Hotpixel zu erkennen. Sie werden bei der Subtraktion des Darkframes vom Objektbild ebenfalls beseitigt.


Geeignete Fernrohrtechnik

Als Optik eignet sich vom Prinzip her fast alles, auch mit einfachen Kleinbildobjektiven sind schon interessante Aufnahmen möglich. Mit Weitwinkelobjektiven (f=15mm) können die Wolken der Milchstrasse schon im Live-Bild klar erkannt werden. Durch die Dobso n-Welle der letzten Jahre sind große Spiegeloptiken relativ preiswert geworden. Da sich die Belichtungszeit nicht steigern läßt, sind lichtstarke Newtons im Vorteil. Die bei diesem Teleskoptyp übliche Koma ist wegen des kleinen Aufnahmefeldes kaum relevant .

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die hohe Infrarotempfindlichkeit der Mintron. Sie ermöglicht einerseits selbst an stark lichtverschmutzten Orten mit kleinen Optiken erstaunliche Resultate, erschwert jedoch den Einsatz von Linsenteleskopen. Refraktoren ze igen mit der Mintron bei manchen Objekten, wie z.B. recht kühlen/roten Sternen einen deutlichen Hof. Durch Nutzung eines IR-Sperrfilters wäre dies zwar zu vermeiden, dadurch würde aber auch ein guter Teil der Empfindlichkeit verloren gehen.

Die Nachführung der Aufnahmeoptiken gestaltet sich recht einfach. Mit der Mintron lassen sich auch mit preiswerten, unterdimensionierten Montierung noch sehr gute Resultate erzielen. Bei einer Belichtungszeit von 2,56 sec ist keine aufwendige Nachführkontr olle nötig, bei Brennweiten unter 100mm ist überhaupt keine Nachführung, sondern nur ein gelegentliches Nachstellen des Objekts notwendig. Bei längeren Brennweiten ist dann eine parallaktische Montierung nötig, aber die genaue Polausrichtung schon nicht me hr. Es reicht aus, alle paar Minuten das Objekt zu zentrieren. Die Wanderung des Objekts auf dem Chip wird von der Additionssoftware automatisch ausgeglichen und bewirkt sogar eine hilfreiche, "Flatfield-Nutzung"-artige Wirkung.


Ergebnisse

Abb. 3 zeigt NGC 891 als Addition von 400 Einzelbildern mit Darkframekorrektur, Schärfung und Kontrastanpassung. Neben der schönen Edge-On-Galaxie sind noch einige 16 mag Hintergrundgalaxien zu erkennen. Als Optik wurde ein 300/1200 mm Newton verwendet. Be i der verwendeten Brennweite lag der Bildmaßstab bei ca. 1,8 Bogensekunden pro Pixel. Das ist für Deep-Sky ein vernünftiger Wert. Höhere Brennweiten lohnen sich meist nur bei gutem Seeing und entsprechend lichtstarken Optiken.


Die geringe Pixelanzahl ist eine der Schwächen der Mintron. Bei großflächigen Objekten ist die Kamera nur begrenzt einsetzbar. Hier müssten Mosaikaufnahmen gemacht werden, was aber durch die relativ "unsauberen" Bilder der Mintron erschwert wird.


Während die Kamera mit Kontinuums-Strahlern wie Galaxien und Kugelsternhaufen sehr gut zurecht kommt, hat sie bei einigen schwachen HII-Regionen und flächigen Planetarischen Nebeln Schwierigkeiten. Die Mintron kann also eine gekühlte, langbelichtende CCD n icht in jedem Fall ersetzen. Der Aufwand, um bei vielen Objekten zu guten Ergebnisse zu kommen, ist bei der Mintron jedoch deutlich geringer. Dies gilt nicht nur für die Nachführung, sondern auch für das Scharfstellen der Aufnahmen. Bei einer Bildrate von 25 Bildern pro Sekunde und eingeschaltetem Digitalzoom kann man problemlos direkt an einem normalen Stern scharfstellen. Scheinerblende und Messuhr werden nicht benötigt. Da während der "Langzeit-Belichtung", also der Aufnahme einer Bildserie, ja auch imme r das Live-Bild sichtbar ist, fallen auch alle Störeffekte und Probleme sofort auf. Ein Bild wird zB nie mehr durch eine Flugzeugspur verdorben, denn die paar Roh-Bilder, auf denen das Flugzeug und sein Kondensstreifen abgebildet sind, können dann später e infach gelöscht werden.


Ebenso entfällt die oft nervenaufreibende Suche nach einem Leitstern für die Nachführung, wodurch die nächtliche Foto-Ausbeute drastisch gesteigert werden kann. Mit der Mintron kann man in einer klaren Nacht leicht ein Dutzend Objekte abarbeiten. Mit einer gut funktionierenden Goto-Montierung kann man sogar über 100 Objekte beobachten und fotografieren.



Allerdings sollte man bedenken, dass die Bildverarbeitung sehr zeitaufwendig ist und der Laie oft ein mehrfaches der Beobachtungszeit benötigt. Hier sollte man schon bei der Aufnahme darauf achten, die Bilder so zu gewinnen, das zumindest die Addition der Rohbilder für alle Objekte automatisch geschehen kann.


Kleinplaneten- und Supernova- Überwachungsprojekte oder die Dokumentation von Sternbedeckungen oder Meteorschauern in Echtzeit sind weitere interessante Einsatzgebiete.


Fazit

Alles in allem ist die Mintron eine sehr interessante Erweiterung der astrophotographischen Möglichkeiten, die zwar die Bildqualität "echter", astronomischer CCD-Kameras nicht ganz erreicht, aber für einen deutlich günstigeren Preis schon erstaunlich viel ermöglicht.