Pluto bedeckt UCAC4 345-180315 am 19.7.2016


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Am 19.7.2016 sollte Pluto für München einen 14,2 mag hellen Stern bedecken. Da Pluto selbst ähnlich hell ist, wurde ein Helligkeitsabfall von etwa einer halben Magnitude erwartet. Mit einem Rotfilter ließ sich der Drop auf ca. 1mag optimieren. Das Ereignis sollte unter widrigen Bedingungen stattfinden. Zum Finsterniszeitpunkt um 20:51 UT stand die Sonne erst 13 Grad unter dem Horizont während Pluto mit 15 Grad Horizontabstand Gefahr lief im Horizontdunst zu versinken. Erschwerend kam auch noch der Vollmond dazu der nur etwa 10 Grad neben dem Zwergplaneten für Streulicht sorgte. Die Hoffnung irgendetwas zu sehen, war im Vorfeld nicht besonders groß. Da jedoch ein solches Ereignis sehr selten ist, wurde vorab versucht mit einigen Tests die Ausrüstung zu optimieren. Es stellte sich die Frage, welche Kamera mit welcher Belichtungszeit sinnvoll sein könnte. Es kursierten im Internet Gerüchte das eine Watec mit 0,4 Sekunden an einem 10 Zöller schon ausreichend sein könnte. Dies mag bei einem hochstehenden Stern und guten Seeing tatsächlich der Fall sein. Doch bei einem mehrere Bogensekunden Matschfleck am Horizont erwies sich diese Vorgabe als illusorisch. 
Bei 2,5s gab es mit dem 80cm Spiegel der VSW München bei 2,5s Belichtungszeit schon Schwankungen im Bereich von +-50% der Signalintensität. 

Nach einer Normalisierung war der Wert +-20% schon deutlich besser. Ein Drop von 1mag sollte sich damit nachweisen lassen. 

Als zweite Kamera stand ein Brightstar Mammut zur Verfügung. Der Chip ist der gleiche wie in der Watec, doch es gibt eine Kühlung mit einem Delta von 15 Grad und einen 16 Bit AD-Wandler. Dadurch hat diese Kamera eine bessere Dynamik, was sich besonders bei Streulicht durch den Mond auszahlen kann. Die Mammut wurde mit 1s und 3s Belichtungszeit getestet. Bei 1s war das Signal noch so verrauscht das kein ordentliche Photometrie möglich erschien. Doch bei 3s lag die Streuung schon bei +-0,2mag. Das sollte selbst bei einer streifenden Bedeckung mit einem Drop von deutlich weniger als 1mag ausreichend sein. 

Vorteilhaft war die große Zahl der Vergleichssterne. Dank der Position mitten in der Milchstraße ist selbst bei kleinen Feld immer was zu finden.



In der Sternwarte stehen mehrere Teleskope zur Verfügung. Peter Lindner hatte sich als Gastbeobachter angemeldet. So fiel die Entscheidung Mammut und Watec gleichzeitig einzusetzen. Die Mammut sollte am 32 Zoll Spiegel für einen sicheren Nachweis sorgen, während die Watec am 16 Zöller als Backup verwendet wurde. Bei der Watec wurde eine Belichtungszeit von 1,28s eingestellt. Wegen der geringeren Dynamik mit 8 Bit hätte bei einer längere Belichtungszeit das Streulicht des Mondes zur Überstrahlung geführt. 

Laut dem Ephemeridentool von http://ssd.jpl.nasa.gov/horizons.cgi#results bewegt sich Pluto mit 0,001082“ je Zeitsekunde. Sein Durchmesser liegt bei 2374km und seine Entfernung von der Erde bei 32,1434 AU oder 4.808.584.175km. Daraus ergibt sich ein Winkeldurchmesser des Planeten von 0,10183 Bogensekunden. Die maximale Finsternisdauer läge demnach bei 94,11 Sekunden. Dazu kommen noch einige Sekunden für die Atmosphäre.

Der Stern hat einen B-V-Farbindex von 1,7 das ist die Spektralklasse M. Der Sterndurchmesser liegt bei etwa 0,0001". Das Fadingdauer des Sterns während der Bedeckung liegt bei etwa 0,1s und spielt daher bei der Untersuchung der Pluto-Atmosphäre keine wesentliche Rolle.

Nach den ersten Prognosen sollte die Bedeckung für München zentral stattfinden. Die Daten waren jedoch mit Unsicherheit behaftet, da die Position des Sterns nicht ausreichend genau bekannt war. Das Team der Gaia-Mission hat daher neue Daten in einer Vorabveröffentlichung zur Verfügung gestellt. Demnach sollte sich die Zentrallinie in die Sahara verlagern. München lag nun am Rand der Bedeckungszone. Grade diese Randlage machte die Beobachtung besonders interessant. Die Plutoatmosphäre wird schräg angeschnitten und die Dauer des Helligkeitsabfalls erhöht. Die kurze Sehne erlaubt es zudem die Gaia-Daten sehr genau zu testen!

In der Beobachtungsnacht waren die Bedingungen unerwartet gut. 

Die Transparenz war  besser als bei den vorherigen Testmessungen. Das Seeing war trotz des geringen Horizontabstands relativ stabil und die Messpunkte streuten bei 3s Belichtungszeit nur um +-0,1mag. Es wurde überlegt, die Belichtungszeit zu verkürzen. Der Gedanke wurde jedoch wieder verworfen. Durch die Lage am Schattenrand war es denkbar, dass es für München nur eine streifende Bedeckung durch die Atmosphäre geben könnte. Die Amplitude wäre in diesem Fall viel geringer ausgefallen und im Rauschen untergegangen. 

Während der Messung wurde die Bedeckung am Computermonitor live verfolgt. Visuell war nichts zu sehen, doch die spätere Auswertung zeigte den erwarteten Drop von ca. einer Magnitude!

Die Grafik in Muniwin ist gestaucht. Mit einer Tabellenkalkulation wurden die Messpunkte entzerrt.

Die Kurve teilt sich in 3 Bereiche. Eintritt, Verfinsterung und Austritt. Ein- und Austritt verteilen sich über etwa 5 Messpunkte. Dies ist ein direkter Nachweis der Plutoatmosphäre. Wenn es keine Atmosphäre gäbe, hätten Ein- und Austritt maximal eine Breite von einem Messpunkt. Durch die Auslesezeit liegt die Zeitdifferenz zwischen den Messpunkten bei 4,5s.


Folgende Zeiten lassen sich abschätzen:
Eintritt: 20:52:19 - 20:52:40 Dauer: 21s
Bedeckung: 20:52:40 - 20:53:29 Dauer: 49s
Austritt: 20:53:29 - 20:53:52 Dauer: 23s 


Die Atmosphäre war demnach auf der Sehne in 22s über eine Stecke von 555 km nachweisbar. Da die Atmosphäre durch die Randlage schräg angeschnitten wurde bleibt nach einer Korrektur der Winkel noch eine Dicke von etwa 363km übrig. Das deckt sich gut mit der Prognose die auf einer Messung aus dem Jahr 2013 basiert. Damals wurde die Dicke der Atmosphäre mit 370km +-5km bestimmt. Es gab also in den letzten Jahren keine wesentlichen Änderung.

Die Bedeckungssehne war 1236 km lang. Wenn man die Sehne an der Plutokugel abträgt, wird die Randlage deutlich.



Bei der Pfadprognose von Gaia ist der Rand der Bedeckung etwas unscharf definiert. Doch wenn man als Occultation-Limit die Prognose über den Rand der Atmosphäre ansetzt, zeigt sich eine hervorragende Übereinstimmung der gemessenen 49s Bedeckung mit der Position von München. Restfehler sind leicht durch Defizite in der Plutoposition zu erklären. Sie ist nur auf etwa 
400km genau bekannt (1). Pluto bestätigt also Gaias erste veröffentlichte Messung auf exzellente Weise!





Die Auswertung des Watec-Videos durch Peter Lindner erwies sich als schwierig. Die kürzere Belichtungszeit reduzierte das SNR und Wind wackelte am Teleskop.

Es ist ein Helligkeitsabfall sichtbar. Die mühselig ermittelten Zeiten decken sich gut mit der Messung am 80cm Spiegel. Abweichungen im Bereich weniger Sekunden liegen im Fehlerbalken, weil die Kamera am 80cm Spiegel nur alle 4,5s ein Bild geliefert hat.




Bemerkenswert ist dass der Austritt in München nicht stetig gewesen ist. Sowohl in den Watec-Daten von Peter Lindner als auch in den CCD-Daten vom 80cm Spiegel gibt es bei 8:53:35 ein Plateau, das auch in der Breite identisch ist. Zufälliges Rauschen ist zwar möglich erscheint aber in der Kombination unwarscheinlich. Lokale Effekte durch Wolken wären denkbar.






Eine bemerkenswerte Kurve lieferte Otto Farago der in Kärnten beobachtete. Bei einer Belichtungszeit von nur 0,16s ist mit seiner Watec die Verfinsterung klar sichtbar und in einem Animated-Gif aus den Videodaten auch visuell zu erkennen.

Wegen des starken Rauschens ist die Kurve schwer auszuwerten.

Bei einer Mittellung von 32 Werten auf 5,12s zeigt sich ein klareres Bild.




Folgende Zeiten lassen sich abschätzen:
Eintritt: 20:52:12 - 20:52:37  Dauer: 25s
Bedeckung: 20:52:37 - 20:53:31 Dauer: 66s
Austritt: 20:53:31 - 20:53:48 Dauer: 17s 

Das Ende der Bedeckung ist schwer einschätzbar. Nach dem Austritt bildet sich ein kleines Plateau. Danach folgt wieder ein Anstieg. Sprünge von 100 Einheiten sind auch vor und nach der Bedeckung, zu Beginn und Ende der Kurve zu sehen.  Vermutlich war der Austritt länger als 17s.  Auch die Bedeckungszeit ist nicht klar abzugrenzen, dürfte aber um eine Minute gelegen haben, was gut zu einer Schattenline 160km südlich von München passen würde.

66s passen zu einer Sehnenlänge von etwa 1660km. Das bestätigt gut die Münchener Messung. Pluto ist vermutlich etwas südlich der prognostizierten Zentralline vorbeigelaufen.

(1) http://www.spektrum.de/news/erste-wissenschaft-mit-gaia-sternbedeckung-durch-pluto/1416767 

(2) Viele Infos und Grafiken basieren auf der Seite der IOTA-ES: http://www.iota-es.de/pluto-19072016.html



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