Villa Romana und Agrigent II


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Am nächsten Tag wurde eine weitere UNESCO-Welterbestätte besucht, die Villa Romana de Casale. Die Villa befindet sich in der Stadt Piazza Armerina ungefähr in der Inselmitte. Die Strecke erfordert von Agrigent aus einen Tagesausflug, doch der weite Weg lohnt sich!

Die Villa wurde im 3 Jh. für einen Mitkaiser von Diokletian erbaut. Nach dem Machtverlust genoss er in Sizilien ein luxuriöses Exil. Der Bauherr war extrem reich und beschäftigte nur die besten Handwerker und Künstler. Die Anlage ist entsprechend repräsentativ. Später war sie die Residenz des Provinzstatthalters.

Um sich beim Volk einzuschmeicheln wurde die Villa so gebaut das sie der lokalen Bevölkerung auch als Therme dienen konnte. Der Palast war wie heutzutage ein Rathaus, öffentlich zugänglich. 



Viel Besuch wird es aber damals nicht gegeben haben. Das Gebäude liegt sehr abgelegen in einem schwer erreichbaren Tal und ist auch heute noch schwierig zu finden. Durch abgelegene Lage hat es sich so gut erhalten. Die Touristenmassen finden aber trotzdem ihren Weg und trotz Corona war die Villa gut besucht.

Der Palast ist berühmt für seine Mosaike. Nirgendwo auf der Welt hat sich aus römischer Zeit etwas vergleichbares erhalten. Wenn sich sonst-wo was erhalten hat, dann immer nur im Erdgeschoss. In der Villa Romana gibt es auch noch mosaikgeschmückte Fußböden im 1. Stock!

Die Mosaike sind sehr umfang- und detailreich. Es gibt ein durchdachtes Bildprogramm das immer wieder aufeinander anspielt.
So gibt es in den Thermen ein großes Wagenrennen. Das Thema wird in den Privaträumen wieder aufgegriffen.

In den Privaträumen sind es aber spielenden Kinder die sich ein Wettrennen liefern. Ihre Wagen werden von Vögeln gezogen. 

Das Thema Jagd ist ebenfalls in mehreren Varianten zu finden. Einmal dient die Jagd einem Gastmal und einmal dem Einfang von Bestien für die Spiele.

Der Einfang und der Export der ´Bestien´ ist ein umfangreicher Zyklus.


Das Mosaik bildet den Boden eines langen Flurs und läuft über die komplette Länge des Palastes. Man sieht dort wie Strauße, Löwen, Elefanten, Nashörner und Stiere gefangen werden. Danach werden sich auf Schiffe verladen. Am Zielort sieht man wie sie die Schiffe wieder verlassen. Es gibt auch kritische Allegorien auf das Handeln der Menschen gegenüber der Natur. An einer Stelle wird der Mensch als Gefangener der Tiere dargestellt. Es wird die Frage gestellt, wie sich wohl der Mensch als Opfer ´tierischer Willkür´ fühlen würde. 

In den Privaträumen sieht man dann die Jagd wieder als Kindermotiv. Kleintiere wie Fische, Hasen und Vögel sind hier passender als Nashorn und Elefant.

In den Schlafzimmern gibt es Darstellungen der Jahreszeiten, es gibt Blumenmotive und auch erotische Szenen.


Die Vielzahl der Details auf den Mosaiken ist kaum wiederzugeben. Man erfährt viel über die Lebenswelt der Antike. Die Mosaike sind anders als Statuen, Portraits oder Münzen die immer nur der Selbstdarstellung einzelner Personen dienen, aber über deren Leben nichts aussagen.

Ein Zeichen des Luxus ist das auch die Räume der Dienerschaft mit Mosaiken geschmückt wurden. Obwohl die Herrschaft diese Werke sicher nur selten gesehen hat, wurde auch hier viel Arbeit investiert. Der Boden der Küche zeigte zwar keine Figuren, aber doch aufwändige geometrische Muster.

Das berühmteste Mosaik der Villa ist in einem der kleineren Räume. Es handelt sich um eine Gruppe junger Mädchen bei der Sportlichen Gymnastik. 

Hier wird beim Laufen mit Hanteln trainiert und der Diskus geschleudert. Eine barbusige Preisrichterin vergibt eine Krone und einen Palmzweig. 
Interessant ist die Haarfarbe. Bei den Römern waren Blondienen bevorzugt.

I.d.R. wird dieses Mosaik als die ´Bikinigirls´ bezeichnet. Die Mädels tragen bei genauen Hinsehen allerdings eher Brustbinden. Der Bikini ist doch eher eine Idee der 50er Jahre, als mit dem Atomzeitalter auch die Sexbombe erfunden wurde. 

Wassermotive in der Thermenanlage.

Tierköpfe im Eingangsbereich

Als kämpferisches Motiv gab es einen Ringkampf von Pan mit einem Satyr.

Wichtiger als der Kampf war dem Bauherrn aber die List. Ein Mosaik zeigt Odysseus in der Höhle des Polyphem. Odysseus reicht den Wein der den Riesen trunken macht.

Der größte Repräsentationsraum war die Basilika. Sie ist eine Miniversion der zeitgleich entstandenen Basilika in Trier und diente für Audienzen des kaiserlichen Hausherrn.



Nachdem an den Vortagen mit der Villa Romana und dem Tal der Tempel zwei touristische Highlights besucht wurden, stand am dritten Tag der Besuch der Stadt Agrigent auf dem Programm. Der Ort war als Oberzentrum auch im Mittelalter bedeutend. Die Häuser sind dicht gedrängt auf einem Hügel der gut verteidigt werden konnte. Der Hügel war auch schon in der Antike bebaut, lag aber am Stadtrand. Einer der Tempel ist heute die Kirche S. Maria del Greci.

Der Sockel des Athena-Tempels hat sich in der Kirche erhalten.

Dir Kirche hat heute einen Glasboden um die darunterliegenden mittelalterlichen Räume zu zeigen. In diesem Raum wurden die Körper verstorener Mönche mumifiziert. Sie saßen in den Steinsesseln und wurden ´luftgetrocknet´. Das Loch in der Mitte diente zum Abfluss von Körperflüssigkeiten.

Die Kathedrale San Gerlando wurde im 11. Jahrhundert errichtet.

Der vordere Teil des Mittelschiffs ist mit einer Freibalkendecke aus dem Jahre 1518 gedeckt, der etwas höher liegende Mittelteil mit einer Kassettendecke von 1682. 

In einer Kapelle im rechten Seitenflügel, die ein gotisches Portal hat, wird eine Silberurne mit Reliquien des heiligen Gerlando aufbewahrt.

Eine Seitenkapelle wird als Ausstellungsraum für antike Sarkophage und mittelalterliche Buchmalereien genutzt. 

Auch der Glockenturm kann bestiegen werden. Die alte Uhr ist nicht mehr in Funktion. Die Uhrgewichte sind aber noch vorhanden.

Agrigent hat mehrere Museen. Besucht wurden das Diozösanmuseum und eine Gemäldegalerie in einem alten Kloster, dem Palazzo Filippini.

Im Kloster gab es aufschlussreiche barocke Gemälde. Die Mönche des 18 Jh. waren sicher fromm, ...doch Titten mochten sie schon!

Auch mittelalterliche Kunst war vertreten.

Ein kurioses Austellungstück ist dieses Bett in dem während eines Besuchs der heilige Papst Johannes-Paul II übernachtet hat. Ein Video seines Besuchs in Agrigent läuft als Endlosschleife.

Interessant war ein Maler namens Fra Felice di Sambuca. Er ist in Deutschland völlig unbekannt und hat nur im italienischen Wikipedia einen Eintrag. Dort wird er als phantasiereich aber technisch weniger versiert beschrieben. In seiner Zeit war Fra Felice aber ein sehr begehrter Maler und hat trotz fehlender akademischer Ausbildung ein sehr umfangreiches Werk hinterlassen. Er wirkt auf den heutigen Betrachter erstaunlich modern. Die großen Farbflächen die expressiven Gesichter und knalligen Farbtöne wirken etwas comic-haft. 

Fra Felice ist kein El Greco aber von dem Geist ist doch etwas zu spüren.

Interessant waren auch die lokalen Gemälde des 19.Jh. Sie zeigen das Tal der Tempel und verdeutlichen, das die dortigen Gebäude tatsächlich unverändert über die Jahrhunderte zu uns gekommen sind.

Auf dem Rückweg ging es an einem Haus vorbei, das sich ´Villa Goethe´ nennt. Hier hat Goethe während seines Besuchs in Agrigent gelebt. Die Stadt war der südlichste Punkt seiner Italienreise. Um Agrigent von Weimar aus zu erreichen, benötigte der Dichter etwa 1 Jahr.  Ich war in der Woche zuvor noch in Weimar gewesen.



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