Leoniden2002
Im November 2002 bot sich zum letzten mal in diesem
Jahrhundert die Chance einen Leonidensturm zu beobachten.
Mit dem Eintreffen der Meteore wurde in der Nacht vom 18.11.
auf den 19.11. zwischen 4:30 und 5:30 Uhr gerechnet.
Die mittlerweile etablierte Dust-Trail-Theorie prognostizierte
Fallraten von etwa 3000 Stück pro Stunde.
Wegen des störenden Mondlichts sollten davon allerdings
selbst bei optimalen Bedingungen
nur etwa 20% sichtbar sein. Doch auch 600 Schnuppen
pro Stunde sind ein beeindruckendes Erlebnis!
Leider zeigt sich das Wetter in Deutschland im November
nur selten von seiner sonnigen Seite.
Die Wahrscheinlichkeit für einen klaren Himmel
liegt nur bei ca. 10%. Aus diesem Grund bildeten sich auch
dieses mal mehrere Gruppen, mit dem Ziel in den sonnigen Süden
auszuweichen. Unsere Gruppe reiste nach Portugal,
wo mit etwa 50%iger Sicherheit der Himmel frei sein sollte.
Je nach Wetterlage sollte mit dem Auto flexibel der Standort gewechselt werden,
um so die Erfolgschance auf etwa 70% zu erhöhen.
Gleich neben dem Flughafen in Faro hatte man offenbar den Leonidenbeobachtern schon
vorab ein Denkmal gesetzt. Etwa ein Dutzend steinernder Figuren beobachtet den leider bewölkten
Himmel
Meine Person wurde sogar einer eigenen Statue würdig erachtet
Die Expedition startete am 13.11.2002.
Leider präsentierte sich der Himmel in den
ersten Tagen grau in grau. Eine Schlechtwetterfront jagte die nächste.
Der Blick auf die Wetterkarte ermöglichte keine klare Prognosen.
Die Unschlüssigkeit über die weitere Reiseroute führte dazu,
dass zunächst der portugiesische Süden besichtigt wurde.
Die Algarve ist eine Steilküste mit einer wilden Felslandschaft
an die ununterbrochen die schwere Brandung des Atlantik
donnert. Beeindruckend ist besonders Kap Vincents. Diese Halbinsel
bildet den südwestlichsten Zipfel Europas. Wer hier auf
die Weiten des Ozeans blickt, kann verstehen, warum die Menschen des
Mittelalters diesen Ort für das Ende der Welt gehalten haben.
Noch am Ankunftstag ging es zum sturmumtobten Kap Vincent
Am ersten
Tag nach der Ankunft
wurden zunächst noch einige weitere Küstenabschnitte besucht,
danach ging es weiter
in die Sierra Monchique.
Die Algarve ist eine wilde Steilküste
Die Algave ist ein aus Muschelkalk aufgebautes Karstgebiet. Überall gibt es Dolinen, Höhlen und Erdfälle
An vielen Stellen sind die versteinerten Muscheln zu erkennen
Die Vegetation hat sich dem meist trockenen Klima angepasst. überall Kakteen und Algaven.
Die Algave bildet fast haushohe Blütenstände. Nach der Blüte geht die Pflanze ein.
Der höchste Berg der Region ist der 911m hohe Foia.
Als potentieller Beobachtungsort wurde er genauer inspiziert.
Auf seinem Gipfel hat man einen fantastischen Ausblick auf das Umland.
Leider ist der Foia als lokale Schlechtwetterzone bekannt. Zudem wird das
Gelände von einer mit Flutlicht bestrahlten Militärstation verunstaltet.
Nahe Monchique stehende, frisch geschählte Korkeiche
In Monchique wurde für die Nacht ein 3-Sterne-Hotel mit Internetanschluss
gefunden. Da der November in die Nachsaison fällt, konnte für unsere
9-Personengruppe ein günstiger Tarif ausgehandelt werden. Daher wurden
gleich 2 Übernachtungen gebucht und am Folgetag das nahegelegene Silves
besucht. Hauptattraktion des Ortes ist eine maurische Festung, die im 13'ten
Jahrhundert von den Christen zurückerobert und zerstört wurde.
Die maurische Festung in Silves
Heute sind nur
noch die Außenmauern zu besichtigen. Von den Gebäuden hat sich lediglich eine
Zisterne erhalten. Sie wird seit mehr als 700 Jahren für die lokale Wasserversorgung
genutzt.
Die 700 Jahre alte Zisterne ist auch heute noch in Funktion
Die eher bescheidene Kirche von Silves. Im Seitenchor sind ein paar Deckenmalereien zu erkennen
Am Morgen des vierten Tages wurde deutlich, dass die Westküste der iberischen
Halbinsel für die Leonidenbeobachtung ungeeignet sein würde. Eine auf den
Satellitenbildern gut sichtbare Kaltfront machte alle Hoffnungen zunichte.
Lediglich für die Ostküste gab es etwas günstiger Vorhersagen.
Mit etwas Glück sollten sich Wolken im Binnenland auflösen und im Windschatten
der Küstengebirge der Himmel frei sein. Als Beobachtungspunkt wurde der Calar Alto
ausgewählt. Auf seinem 2100m hohen Gipfelplateau befindet sich ein Observatorium
der ESO.
Blick von der Autobahn auf den Calar Alto. Die Kuppel ist markiert.
Die größte Kuppel ist von der Autobahn aus sichtbar und scheint zum greifen
nah zu sein. Tatsächlich sind jedoch von der Abfahrt aus noch fast 30 km zurückzulegen.
Der Calar Alto ist eine Großforschungseinrichtung mit etwa einem halben Dutzend Teleskopen
und zwei Service-Gebäuden.
Der Gipfel bietet Platz für ein halbes Dutzend Observatorien
Der Mond geht hinter den Kuppeln auf.
(Aufnahme: Jürgen Michelberger)
Die Geräte werden parallel für verschiedene Projekte genutzt. Am 1,2m Spiegel arbeitete grade
ein Student aus Potsdamm an seiner Diplomarbeit über einen speziellen Sub-Typ der
kataklysmischen Veränderlichen. Da bei der Veränderlichenbeobachtung nur
Helligkeitsrelationen zu Vergleichssternen gemessen werden, sind derartige
Beobachtungen auch bei Vollmond möglich. Durchziehende
Wolken führten an diesem Abend allerdings zu einigen Unterbrechungen.
Während einer dieser Zwangspausen zeigte er uns `sein` Teleskop. Computersteuerung,
Kuppelnachführung, Montierung und Hydraulik der Hebebühne wurden besichtigt und ihre
Funktion demonstriert.
Der Dom des 1,2m Spiegels im Mondlicht
Mirko Krumpe (links) bei der Demonstration des Geräts.
Das Teleskop steht auf einer `Deutschen Montierung`.
(Aufnahme: Jürgen Michelberger)
Den Abschluss bildete ein Rundgang auf dem äußeren Kuppelkranz.
Von dort gab es einen fantastischen Ausblick auf die vom Mond beleuchteten schneebedeckten
Berge der Sierra Nevada. - In Zukunft werden leider immer weniger Astronomen diesen Ausblick
genießen können, die Anlagen für eine automatische Steuerung per Internet sind schon
installiert. Die Überwachung der Instrumente soll demnächst per Webcam erfolgen.
Die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada bilden einen extremen Kontrast zum
wüstenähnlichen Hinterland
Der Calar Alto ist im November ein kalter und zugiger Ort. Häufig sinkt die Temperatur
im Laufe der Nacht unter den Taupunkt und es bildet sich eine lokale Nebelkappe heraus.
Dies war auch in den Vortagen mehrfach geschehen. Da wir bei der Leoniden auf Nummer
Sicher gegen wollten, suchten wir uns zur Beobachtung ein wenige Kilometer vom Gipfel
entferntes, ruhiges Plätzchen mit ca.1600 Höhenmetern. Die Temperaturen lagen bei angenehmen 4 Grad
plus. Während des Instrumentenaufbaus hatten wir einen perfekten Himmel, der zwischen 4,0
und 5,5 mag geschätzt wurde.
Aufbau bei klaren Himmel. Im Hintergrund der Orion.
Ab 1:30 Uhr waren einige Zirren zu sehen.
Während der folgenden Stunden nahm die Bewölkung immer weiter zu.
Jedoch gab es fast immer ein paar Wolkenlücken durch die wir die Geschehnisse
verfolgen konnten.
Zunehmende Zirren bewirkten eine schöne Mondhalo
Mittelhelle Schnuppen mit 1 bis 2 mag schienen zu dominieren,
hellere und schwächere Meteore waren nur selten zu sehen. Insgesamt wurden 3
Feuerkugeln sicher registriert, zwei davon bildeten eine gut sichtbare Rauchspur.
Allerdings wurde die Aufmerksamkeit wegen technischer Schwierigkeiten mit den
Kameras mehrfach abgelenkt. Die Bestimmung der Fallraten war nicht durchgehend,
sondern nur in Intervallen möglich. Die eigenen Beobachtungen sind in der folgenden
Tabelle zusammengefasst:
Leoniden 2002
FST 4,5 - 5
mag
korrigierte
HR bei
Von
Bis
Dauer (sec)
Anzahl
Bewölkung in Prozent
Korrigierte Anzahl
HR gesichtet
Populationsindex=2 und FST=4,5
02:44
02:55
540
5
50
10
67
268
03:03
03:10
420
6
30
8,5714
73
292
03:57
04:06
540
3
75
12
80
320
04:14
04:24
600
10
65
28,5714
171
684
04:36
04:48
720
18
60
45
225
900
04:54
04:56
130
11
40
18,3333
508
2032
04:58
05:00
100
12
35
18,4615
665
2660
05:03
05:04
45
10
30
14,2857
1143
4572
05:10
05:12
160
12
40
20
450
1800
05:29
05:32
180
9
70
30
600
2400
06:02
06:07
330
5
85
33,3333
364
1456
Den Wert von 1143 bzw. 4572 um 5:03 Uhr sollte man nicht allzu ernst nehmen.
Zwar wurden tatsächlich innerhalb von 45 Sekunden 10 Meteore gesichtet, doch die
Erfahrungen von 2001 zeigen, dass die Leoniden oft in Clustern auftreten und
daher kleine Messintervalle zu Verzerrungen führen können.
Wenn man über die 3 Messungen von 4:54, 4:58 und 5:03 Uhr ein
arithmetisches Mittel bildet, so erhält man eine gesichtete,
wolkenstandskorrigierte HR von 772 was wohl eher die realen Verhältnisse
wiederspiegelt.
Die Aussagekraft von Grafik und Tabelle
darf man nicht allzu hoch bewerten.
Die Anzahl der gezählten Schnuppen
ist zu klein um signifikante Aussagen machen zu können.
Zudem lässt sich der Einfluss der Wolken nur schwer abschätzen.
Doch immerhin eine Tendenz kann abgeleitet werden.
Es gab einen steilen Anstieg und ein langsames Abflachen der Aktivität.
Dies ist vermutlich auf den steigenden Radiantenstand zurückzuführen.
Das Maximum selbst war relativ spitz. Bezüglich des Verlaufs gab
es mehr Parallelen mit dem Fall von 1999
als mit dem Fall von 2001.
Earthgrazer wurden in Europa diesmal nicht gesichtet.
Als wir jedoch um 7:00 Uhr unser Quartier erreichten
waren in der Dämmerung immer noch helle
Schnuppen zu erkennen. Die
anhaltend hohen Fallraten lassen vermuten, dass
die Amerikaner einige Earthgrazer gesehen haben könnten.
Nach nur 4 Stunden Schlaf und einem ausgiebigen
Mittagessen ging die Reise zurück in Richtung Westen. Schon am
Folgtag mussten die Autos in Faro zurückgegeben werden.
Die Zeitnot verbot leider einen Zwischenstop bei den zahlreichen am
Wegesrand liegenden Sehenswürdigkeiten. So zogen Granada,
Antequera und Sevilla am Fenster vorbei.
Einige der berühmten, bei Guadix liegenden Höhlenwohnungen waren immerhin aus dem Autofenster zu sehen
Zu Beginn der Rückfahrt herrschte noch strahlender Sonnenschein,
doch schon nach einer Stunde vielen die ersten Regentropfen.
Die Schlechtwetterfront vor der wir am Vortag geflohen waren,
hatte uns eingeholt. Erst nahe der portugiesischen Grenze
war der Himmel wieder klar. Ein Bekannter der an der Algarve
zurückgeblieben war, hat wegen der Wolken
während der gesamten Nacht nur einen einzigen Meteor gesehen.
Auch verglichen mit den meisten Spaniern haben wir Glück gehabt.
Die Strategie sich in den Windschatten der Küstengebirge zurückzuziehen war richtig.
Die Reise in den Süden hat sich insgesamt gelohnt, denn in
Deutschland wäre das Wetter so schlecht gewesen, das man gar nichts gesehen hätte.
Besser Bedingungen als auf dem
Calar Alto gab es nur in Südfrankreich, Dänemark,
in Katalonien nahe Barcelona und auf den Balearen. In diesen Gebieten
soll der Himmel während der ganzen Nacht
wolkenfrei gewesen sein. Leider lag selbst Barcelona außerhalb des
von Portugal erreichbaren Aktionsradius. In Nachhinein zeigt sich, dass
es vielleicht klüger gewesen wäre, in Zentralspanien bei Madrid
Quartier zu beziehen. Selbst Südfrankreich wäre dann noch
innerhalb eines Tages erreichbar gewesen.
Die Wettersituation am 18.11.2002 und am 19.11.2002 jeweils zur Mittagszeit im visuelle Spektralbereich.
Ein zum Maximumszeitpunkt aufgenommenes Infrarotbild zeigt über Südspanien aufgelockerte Bewölkung.
Dieses Bild zeigt die Luftfeuchtigkeit (Watervapor) um 5:00 Uhr MEZ.
Teneriffa wird grade von einer Wolkenfront getroffen. Die zahlreichen
Beobachter auf der Insel haben vom Maximum nichts gesehen.
Der global günstigste Standort wäre Westgrönland gewesen.
Auf dem ewigen Eis hätte man sowohl den europäischen
als auch den amerikanischen Peak beobachten können.
Lediglich die Polarlichter hätten eventuell den Genuß etwas beeinträchtigt.
Wie schon in den Vorjahren, war auch dieses mal E. Lyytinen bei den Prognosen
klarer Sieger nach Punkten. Das europäische und das amerkanische Maximum
lagen nach Herausrechnung des Vollmonds jeweils bei einer ZHR um 3000.
Bei Vollmond waren davon allerdings pro 10min-Intervall nur etwa 100 sichtbar.
Die meisten Theoretiker vertraten die Auffassung, dass mit steigenden Dusttrailalter
und mit zunehmenden Perihelabstand der Anteil der hellen Schnuppen zunimmt.
2002 sollten demnach helle Meteore das Ereignis dominieren. Dies konnte so nicht bestätigt
werden.
Zwischen 4:45 und 5:45 wurden auch Aufnahmen mit
Negativmaterial gemacht. Wie schon 2001 in China kam wieder ein 28mm 1:2,8 Objektiv
mit einem 800ASA-Negativfilm zum Einsatz. Wegen der identischen Vorraussetzungen
lassen sich daher die Ergebnisse der beiden Jahre gut vergleichen.
Anders als 2001
gibt es auf den Fotos von 2002 keine einzige hellere Schnuppe!
Auf den etwa 50 Bildern sind aber ca. 50 mittelhelle und schwache Meteore zu erkennen.
Leider kann man wegen der durchziehenden Wolken kein digitales Komposit erstellen.
Doch in 2 Fällen gab es jeweils bei 2 aufeinander folgenden Bildern mehrere Meteore, so dass
eine verlustfreie Kombination möglich gewesen ist.
Die Gesamtbelichtungszeit der beiden Roh-Aufnahmen lag bei etwa 2 min.
Die Bilder sind während des Maximums um ca. 5:05 Uhr entstanden.
Es sind 6 Schnuppen zu erkennen. Unten sind sie markiert und
zusätzlich die Verbindungslinien des
Sternbildes und die Lage des Radianten eingezeichnet.
Noch ein Stimmungsbild mit 2 mittelhellen Leoniden um 5:35 Uhr.
Die Kamera wurde flexibel auf die
jeweiligen Wolkenlücken gerichtet. Um 5:15 Uhr lag kurzfristig auch
einmal der Orion mit dem großen Hund im Schußfeld.
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Der Leonidensturm 1999
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