Feuerkugeln über China 2001



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Einige der Feuerkugeln sind auf diesen beiden digitalen Sammelaufnahmen zusammengefügt


Während des Leonidensturms im November 2001 waren die deutschen Meteorbeobachter mit 2 Gruppen in der Mandschurei vertreten. In beiden Teams haben sich mehrere Mitglieder auf die rein visuelle Schätzung von Anzahl und Helligkeit der Sternschnuppen konzentriert. Beim Vergleich der ermittelten Feuerkugelhelligkeiten zeigten sich erstaunliche Diskrepanzen. Die Anzahl der Feuerkugeln schwankte um den Faktor 10. Die gesichteten Maximalhelligkeiten lagen um mehr als 5 mag auseinander. Dies ist eigentlich nicht verwunderlich. Kaum ein Beobachter kann von sich behaupten Erfahrung bei der Feuerkugelhelligkeitsschätzung zu besitzen. In den Bereichen jenseits von -5 mag fehlt dem Auge zudem jedes Bezugssystem. Das hellste in der Maximumsnacht sichtbare Vergleichsobjekt war der -2,4 mag helle Jupiter. Zudem treffen die Feuerkugeln das dunkeladaptierte Auge stets unvorbereitet. Angaben wie 'Vollmondhelligkeit' und 'Halbmondhelligkeit' sind daher ebenfalls mit Vorsicht zu betrachten. Man sollte auch den Stress bedenken, unter dem viele ungeübte Beobachter stehen. Oft wird in der Aufregung einfach vergessen, dass die Magnituden-Skala nicht linear ist. Da wird schon mal ein Bolide, der zwei bis drei mal so hell ist wie ein -5 mag Meteor, zunächst auf (2*-5=) -10 mag geschätzt und dann nach einigem Nachdenken auf den immer noch falschen Wert von -8 mag korrigiert. Um eine bessere Aussage über Helligkeit und Anzahl der 2001 in China gesichteten Feuerkugeln machen zu können, wird daher eine vom visuellen Beobachter unabhängige, objektive Datenbasis benötigt. Ideal geeignet sind Videokameras. Bei einer Belichtungszeit von 1/25 Sekunde kann man die Feuerkugeln direkt mit den Helligkeiten der gleichzeitig aufgezeichneten Sterne abgleichen. Doch leider haben die meisten Videokameras ein relativ kleines Gesichtsfeld, so dass sich nur schwer repräsentative Ergebnisse erzielen lassen. Einen weiteren Ansatzpunkt bieten Fisheyeaufnahmen auf konventionellen Film. In Lindian wurde ein 28mm Weitwinkelobjektiv zusammen mit einem Fisheyevorsatz eingesetzt. Das Gesichtsfeld dieser Konstruktion lag bei etwa 120 Grad. Wegen der starken Verzeichnung mußte das Objektiv so weit abgeblendet werden, dass trotz des verwendeten 1000-ASA-Films nur Schnuppen mit mehr als -5 mag sicher registriert werden konnten. Die Belichtungszeit der Fotos lag bei ca. 4 Minuten. Da sich die Sternhelligkeiten über die gesamte Belichtungszeit addieren, kann man sie nicht mit dem kurzen Feuerkugelblitz vergleichen. Man muß daher zu einem Trick greifen und zu Eichzwecken eine 'künstliche' Sternschnuppe mit genau definierter Helligkeit simulieren. Dazu wird die Venus mit der gleichen Optik und dem gleichen Film fotografiert und dabei die Kamera mit der Winkelgeschwindigkeit eines Leonidenmeteors 'verschoben'. Die so gewonnene Aufnahme kann jedoch nicht direkt als Vergleichsgrundlage genutzt werden. Das liegt daran, dass die Winkelgeschwindigkeit der Leoniden je nach Horizonthöhe und Radiantenabstand deutlichen Schwankungen unterworfen ist. Eine schnelle Feuerkugel führt bei gleicher Helligkeit zu einer geringeren Filmschwärzung als eine Schnuppe, die nur langsam über den Himmel zieht. Auf der Homepage der International Meteor Organisation (www.imo.net) gibt es Formeln und Tabellen, mit deren Hilfe man für jede Feuerkugel einen individuellen Helligkeitskorrekturfaktor ermitteln kann. Die Horizonthöhe und der Radiantenabstand muß für jedes Meteor einzeln errechnet und ausgemessen werden. Dies geschieht, indem man Ort und Fallzeit in ein Planetariumsprogramm eingibt und anhand des Sternenhintergrundes die Koordinaten bestimmt. Ein Problem ergibt sich dadurch, dass sich Höhe und Radiantenabstand während des Falls ändern und somit auch die Winkelgeschwindigkeit nicht konstant ist. Der Einfachheit halber wurde jeweils die Stelle ausgemessen, an der die Leuchtspur auf dem Film am hellsten gewesen ist. Dieser Punkt liegt in den meisten Fällen im letzten Drittel der Strichspur. Da sich die Leonidenfeuerkugeln in einem Höhenbereich zwischen 120 km und 90 km bewegen, wurde für die Berechnungen pauschal ein Bodenabstand von 100 km angenommen. Eine Auflistung der fotografierten Feuerkugeln gibt es in Tabelle 1.

Tabelle 1) Anzahl und Helligkeit der
zwischen 15:20 und 20:20 UT
fotografierten Feuerkugeln

Helligkeit

Anzahl*

-9,0 bis -12 mag

1

-8,0 bis -8,9 mag

2

-7,0 bis -7,9 mag

3

-6,0 bis -6,9 mag

6

-5,0 bis -5,9 mag

11

Meßgrenze**

bis -4,9 mag

6

*Die Feuerkugelanzahl ist zu klein, um aus der Helligkeitsverteilung einen exakten Populationsindex ermitteln zu können. Ein Wert zwischen 1,5 und 2 ist jedoch naheliegend. Das heißt, dass sich mit jeder Magnitude die Schnuppenzahl fast verdoppelt. Ein Resultat das auch durch visuelle Beobachtungen bestätigt werden konnte.
**Die Grenzhelligkeit schwankt mit Höhe und Radiantenabstand


Der hellste Bolide wurde um 17:58 UT gesichtet und erreichte etwa -11 mag. Bei der Auswertung der Aufnahmen wurde das Gesichtsfeld wegen der extremen Randverzeichnung auf die zentralen 100 Grad beschränkt. Das Gesichtsfeld des menschlichen Auges ist jedoch etwa zweimal so groß. Um einen Eindruck von der Gesamtzahl der Feuerkugeln zu erhalten, muß man daher die Werte aus Tabelle 1 in etwa verdoppeln. Weil die Kamera durch Filmtransport, Filmwechsel, Pausen und Dämmerung nicht ständig im Einsatz gewesen ist wäre zusätzlich ein Zuschlag von etwa 20% zu berücksichtigen.

Tabelle 2) Hochrechnung
Gesamtzahl* der Feuerkugeln

Helligkeit

Anzahl

-9 bis -12 mag

3

-7 bis -8,9 mag

20

-5 bis -6,9 mag

80

*pro Beobachter ist die Zahl deutlich geringer, da immer nur ein Teilbereich des Gesamthimmels gesehen werden kann.

Da einige Annahmen in die Berechnungen eingeflossen sind, stellt sich die Frage, inwieweit die errechneten Werte von der Realität abweichen können. Die Rechensystematik, Messungenauigkeiten, Unklarheiten bei den Fallzeiten der Meteore, Filmeffekte, denkbare Fehleinschätzungen bei der Venusextinktion und ein ungenaues Verreißen der Optik bei der Vergleichsaufnahme sind zu berücksichtigen. Jeder dieser Faktoren könnte unter ungünstigen Umständen eine Abweichung von 10 bis 20 Prozent verursacht haben. Es ist allerdings zu bedenken, dass sich die Fehler nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit in einer Richtung addieren, sich jedoch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise aufheben. Die in der Astronomie gebräuchliche Magnituden-Skala ist nicht linear, sondern logarithmisch auf der Basis 2,5. Eine Helligkeitsabweichung von +-1 mag erstreckt sich daher über einen Schwankungsbereich von -60 bis +150 Prozent. Ein Fehler von mehr als +- 1 Magnitude dürfte eine seltene Ausnahme sein! Bei einer Grundgesamtheit von 29 ausgemessenen Schnuppen mitteln sich zudem die oberen und unteren Ausreißer heraus, so dass wohl insgesamt die Helligkeitsverteilung recht gut wiedergegeben wird. Es ist interessant die Resultate mit den Ergebnissen versierter visueller Beobachter zu vergleichen. Die Experten sahen die Feuerkugeln im Mittel etwa 2 mag schwächer, während einige Videoaufnahmen eher die Fotomessungen bestätigten. Dies könnte jedoch auch an einer erhöhten Infrarotempfindlichkeit der CCD-Chips gelegen haben. Die Vielzahl der unterschiedlichen Werte verdeutlicht wie schnell sich bei der Feuerkugelschätzung systematische Fehler einschleichen können und wie sehr in diesem Bereich noch Forschungsbedarf besteht. Schade, dass Meteorstürme so selten sind und die Leoniden nur etwa alle 33 Jahre Sturmstärke erreichen.     

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  Abbildung 1 zeigt die individuelle unkorrigierte Meteor-Fallrate (HR) nach einer Zählung von Florian Zschage im Vergleich mit der Anzahl der fotografierten Feuerkugeln. Das in der mandschurischen Stadt Lindian ermittelte Maximum der Feuerkugeln fällt mit dem Gesamtmaximum zusammen. Um ca. 17:00 UT brach die Feuerkugelaktivität kurzzeitig ein, um sich nach einer halbstündigen Pause rasch zu erholen. Dies wurde so auch von einigen visuellen Beobachtern registriert.



Es ist interessant die Fotoergebnisse mit den Bewertungen der visuellen Beobachter zu vergleichen. Es zeigen sich sowohl Abweichungen wie auch Übereinstimmungen. Wenn man bedenkt, dass das visuelle Gesichtsfeld doppelt so groß ist wie das Kameragesichtsfeld, so stimmt leider auch die eigene visuelle Schätzung nicht mit den Fotoauswertungen überein.

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Insgesamt liegen die fotografischen FK-Helligkeiten eher 1 bis 2 mag über den visuellen Schätzungen. Bei der Suche nach einem systematischen Fehler viel der Verdacht u.a. auf die Nachleuchtspuren. Diese, durch ein Rekombinationsleuchten verursachten Rauchfahnen, sind zwar viel schwächer als die Meteore, dafür aber auch viel länger sichtbar. Ihre Helligkeit könnte sich daher über die gesamte, etwa 4-minütige Belichtungszeit addieren und zu einem meßbaren Fehler führen.
Das Nachleuchten wurde daher etwas genauer untersucht.
Die hellste Feuerkugel war dazu besonders gut geeignet. Das Auslösen des Folgefotos erfolgte unmittelbar nach dem Fall, so dass die 'Rauchspur' noch 'frisch' gewesen ist. Das Nachleuchten hat während der gesamten Belichtungszeit die Helligkeit eine 4,4 mag Sternstrichspur kumuliert. Da die FK selbst eine Spur wie ein -1,8 mag Stern hinterlassen hat und die Differenz mehr als 5 mag beträgt, kann die additive Wirkung nicht mehr als 1 Prozent betragen haben. Dies ist natürlich nur eine grobe Abschätzung, die lediglich den geringen Einfluß bei dieser speziellen Film-, Optik- und Zeitkombination demonstriert.
Nachfolgen ein Foto von Meteor und Rauchspur. Als Vergleichsstern ist der 4,4 mag helle 31Lyn markiert.
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Liste sämtlicher fotografierter Feuerkugeln
Exelsheet mit dem einige Berechnugen durchgeführt wurden
Weitere Infos zum Leonidensturm von 2001
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