Feuerkugeln über China 2001
Helligkeit Anzahl* -9,0 bis -12 mag 1 -8,0 bis -8,9 mag 2 -7,0 bis -7,9 mag 3 -6,0 bis -6,9 mag 6 -5,0 bis -5,9 mag 11 Meßgrenze** bis -4,9 mag 6 Helligkeit Anzahl -9 bis -12 mag 3 -7 bis -8,9 mag 20 -5 bis -6,9 mag 80
Einige der Feuerkugeln sind auf diesen beiden digitalen Sammelaufnahmen zusammengefügt
Während des Leonidensturms im November 2001 waren die deutschen Meteorbeobachter
mit 2 Gruppen in der Mandschurei vertreten. In beiden Teams haben sich mehrere Mitglieder
auf die rein visuelle Schätzung von Anzahl und Helligkeit der Sternschnuppen konzentriert.
Beim Vergleich der ermittelten Feuerkugelhelligkeiten zeigten sich erstaunliche
Diskrepanzen. Die Anzahl der Feuerkugeln schwankte um den Faktor 10. Die gesichteten
Maximalhelligkeiten lagen um mehr als 5 mag auseinander.
Dies ist eigentlich nicht verwunderlich. Kaum ein Beobachter kann von sich behaupten
Erfahrung bei der Feuerkugelhelligkeitsschätzung zu besitzen. In den Bereichen jenseits
von -5 mag fehlt dem Auge zudem jedes Bezugssystem. Das hellste in der Maximumsnacht
sichtbare Vergleichsobjekt war der -2,4 mag helle Jupiter. Zudem treffen die Feuerkugeln
das dunkeladaptierte Auge stets unvorbereitet. Angaben wie 'Vollmondhelligkeit'
und 'Halbmondhelligkeit' sind daher ebenfalls mit Vorsicht zu betrachten.
Man sollte auch den Stress bedenken, unter dem viele ungeübte Beobachter
stehen. Oft wird in der Aufregung einfach vergessen, dass die
Magnituden-Skala nicht linear ist. Da wird schon mal ein Bolide,
der zwei bis drei mal so hell ist wie ein -5 mag Meteor, zunächst
auf (2*-5=) -10 mag geschätzt und dann nach einigem Nachdenken
auf den immer noch falschen Wert von -8 mag korrigiert.
Um eine bessere Aussage über Helligkeit und Anzahl der
2001 in China gesichteten Feuerkugeln machen zu können,
wird daher eine vom visuellen Beobachter unabhängige,
objektive Datenbasis benötigt. Ideal geeignet sind Videokameras.
Bei einer Belichtungszeit von 1/25 Sekunde kann man die Feuerkugeln
direkt mit den Helligkeiten der gleichzeitig aufgezeichneten Sterne abgleichen.
Doch leider haben die meisten Videokameras ein relativ kleines Gesichtsfeld,
so dass sich nur schwer repräsentative Ergebnisse erzielen lassen. Einen weiteren
Ansatzpunkt bieten Fisheyeaufnahmen auf konventionellen Film. In Lindian
wurde ein 28mm Weitwinkelobjektiv zusammen mit einem Fisheyevorsatz
eingesetzt. Das Gesichtsfeld dieser Konstruktion lag bei etwa 120 Grad.
Wegen der starken Verzeichnung mußte das Objektiv so weit abgeblendet
werden, dass trotz des verwendeten 1000-ASA-Films nur Schnuppen mit
mehr als -5 mag sicher registriert werden konnten. Die Belichtungszeit der
Fotos lag bei ca. 4 Minuten. Da sich die Sternhelligkeiten über die gesamte
Belichtungszeit addieren, kann man sie nicht mit dem kurzen Feuerkugelblitz
vergleichen. Man muß daher zu einem Trick greifen und zu Eichzwecken eine
'künstliche' Sternschnuppe mit genau definierter Helligkeit simulieren.
Dazu wird die Venus mit der gleichen Optik und dem gleichen Film
fotografiert und dabei die Kamera mit der Winkelgeschwindigkeit eines
Leonidenmeteors 'verschoben'. Die so gewonnene Aufnahme kann jedoch
nicht direkt als Vergleichsgrundlage genutzt werden. Das liegt daran, dass
die Winkelgeschwindigkeit der Leoniden je nach Horizonthöhe und
Radiantenabstand deutlichen Schwankungen unterworfen ist.
Eine schnelle Feuerkugel führt bei gleicher Helligkeit zu einer
geringeren Filmschwärzung als eine Schnuppe, die nur langsam
über den Himmel zieht. Auf der Homepage der International Meteor
Organisation (www.imo.net) gibt es Formeln und Tabellen, mit deren
Hilfe man für jede Feuerkugel einen individuellen Helligkeitskorrekturfaktor
ermitteln kann. Die Horizonthöhe und der Radiantenabstand muß für
jedes Meteor einzeln errechnet und ausgemessen werden. Dies geschieht,
indem man Ort und Fallzeit in ein Planetariumsprogramm eingibt und
anhand des Sternenhintergrundes die Koordinaten bestimmt. Ein Problem
ergibt sich dadurch, dass sich Höhe und Radiantenabstand während des
Falls ändern und somit auch die Winkelgeschwindigkeit nicht konstant ist.
Der Einfachheit halber wurde jeweils die Stelle ausgemessen, an der die
Leuchtspur auf dem Film am hellsten gewesen ist. Dieser Punkt liegt in
den meisten Fällen im letzten Drittel der Strichspur. Da sich die
Leonidenfeuerkugeln in einem Höhenbereich zwischen 120 km
und 90 km bewegen, wurde für die Berechnungen pauschal ein
Bodenabstand von 100 km angenommen.
Eine Auflistung der fotografierten Feuerkugeln gibt es in Tabelle 1.
Tabelle 1)
Anzahl und Helligkeit der
zwischen 15:20 und 20:20 UT
fotografierten Feuerkugeln
*Die Feuerkugelanzahl ist zu
klein, um aus der Helligkeitsverteilung einen
exakten Populationsindex ermitteln zu können.
Ein Wert zwischen 1,5 und 2 ist jedoch naheliegend.
Das heißt, dass sich mit jeder Magnitude
die Schnuppenzahl fast verdoppelt. Ein Resultat
das auch durch visuelle Beobachtungen
bestätigt werden konnte.
**Die Grenzhelligkeit schwankt mit Höhe und Radiantenabstand
Der hellste Bolide wurde um 17:58 UT gesichtet und erreichte etwa -11 mag.
Bei der Auswertung der Aufnahmen wurde das Gesichtsfeld wegen der
extremen Randverzeichnung auf die zentralen 100 Grad beschränkt.
Das Gesichtsfeld des menschlichen Auges ist jedoch etwa zweimal so groß.
Um einen Eindruck von der Gesamtzahl der Feuerkugeln zu erhalten, muß
man daher die Werte aus Tabelle 1 in etwa verdoppeln.
Weil die Kamera durch Filmtransport, Filmwechsel, Pausen und
Dämmerung nicht ständig im Einsatz gewesen ist
wäre zusätzlich ein Zuschlag von etwa 20% zu berücksichtigen.
Tabelle 2)
Hochrechnung
Gesamtzahl*
der Feuerkugeln
*pro Beobachter ist die Zahl deutlich geringer, da immer nur
ein Teilbereich des Gesamthimmels gesehen werden kann.
Da einige Annahmen in die Berechnungen eingeflossen sind, stellt sich
die Frage, inwieweit die errechneten Werte von der Realität abweichen
können.
Die Rechensystematik, Messungenauigkeiten, Unklarheiten bei den
Fallzeiten der Meteore, Filmeffekte, denkbare Fehleinschätzungen
bei der Venusextinktion und ein ungenaues Verreißen der Optik bei
der Vergleichsaufnahme sind zu berücksichtigen. Jeder dieser Faktoren
könnte unter ungünstigen Umständen eine Abweichung von 10 bis 20
Prozent verursacht haben. Es ist allerdings zu bedenken, dass sich die
Fehler nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit in einer Richtung
addieren, sich jedoch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zumindest
teilweise aufheben.
Die in der Astronomie gebräuchliche Magnituden-Skala ist nicht linear,
sondern logarithmisch auf der Basis 2,5. Eine Helligkeitsabweichung
von +-1 mag erstreckt sich daher über einen Schwankungsbereich von
-60 bis +150 Prozent. Ein Fehler von mehr als +- 1 Magnitude dürfte
eine seltene Ausnahme sein! Bei einer Grundgesamtheit von 29
ausgemessenen Schnuppen mitteln sich zudem die oberen und unteren
Ausreißer heraus, so dass wohl insgesamt die Helligkeitsverteilung
recht gut wiedergegeben wird. Es ist interessant die Resultate mit den
Ergebnissen versierter visueller Beobachter zu vergleichen. Die Experten
sahen die Feuerkugeln im Mittel etwa 2 mag schwächer, während einige
Videoaufnahmen eher die Fotomessungen bestätigten. Dies könnte
jedoch auch an einer erhöhten Infrarotempfindlichkeit der CCD-Chips
gelegen haben. Die Vielzahl der unterschiedlichen Werte verdeutlicht
wie schnell sich bei der Feuerkugelschätzung systematische Fehler
einschleichen können und wie sehr in diesem Bereich noch
Forschungsbedarf besteht. Schade, dass Meteorstürme so
selten sind und die Leoniden nur etwa alle 33 Jahre Sturmstärke erreichen.
Abbildung 1 zeigt die individuelle unkorrigierte Meteor-Fallrate (HR)
nach einer Zählung von Florian Zschage im Vergleich mit der Anzahl
der fotografierten Feuerkugeln. Das in der mandschurischen Stadt Lindian
ermittelte Maximum der Feuerkugeln fällt mit dem Gesamtmaximum zusammen.
Um ca. 17:00 UT brach die Feuerkugelaktivität kurzzeitig ein, um sich nach einer
halbstündigen Pause rasch zu erholen. Dies wurde so auch von einigen
visuellen Beobachtern registriert.
Es ist interessant die Fotoergebnisse mit den Bewertungen der
visuellen Beobachter zu vergleichen. Es zeigen sich
sowohl Abweichungen wie auch Übereinstimmungen.
Wenn man bedenkt, dass das visuelle Gesichtsfeld
doppelt so groß ist wie das Kameragesichtsfeld,
so stimmt leider auch die eigene visuelle Schätzung nicht
mit den Fotoauswertungen überein.
Insgesamt liegen die fotografischen FK-Helligkeiten eher 1 bis 2 mag über den
visuellen Schätzungen. Bei der Suche nach einem systematischen Fehler viel
der Verdacht u.a. auf die Nachleuchtspuren. Diese, durch ein Rekombinationsleuchten
verursachten Rauchfahnen, sind zwar viel schwächer als die Meteore, dafür aber
auch viel länger sichtbar. Ihre Helligkeit könnte sich daher über die gesamte, etwa 4-minütige
Belichtungszeit addieren und zu einem meßbaren Fehler führen.
Das Nachleuchten wurde daher etwas genauer untersucht.
Die hellste Feuerkugel war dazu besonders gut geeignet.
Das Auslösen des Folgefotos erfolgte unmittelbar nach dem Fall,
so dass die 'Rauchspur' noch 'frisch' gewesen ist.
Das Nachleuchten hat während der gesamten Belichtungszeit
die Helligkeit eine 4,4 mag Sternstrichspur kumuliert. Da die
FK selbst eine Spur wie ein -1,8 mag Stern hinterlassen hat
und die Differenz mehr als 5 mag beträgt, kann die additive Wirkung
nicht mehr als 1 Prozent betragen haben.
Dies ist natürlich nur eine grobe Abschätzung,
die lediglich den geringen Einfluß bei dieser
speziellen Film-, Optik- und Zeitkombination demonstriert.
Nachfolgen ein Foto von Meteor und Rauchspur.
Als Vergleichsstern ist der 4,4 mag helle 31Lyn markiert.
Liste sämtlicher fotografierter Feuerkugeln
Exelsheet mit dem einige Berechnugen durchgeführt wurden
Weitere Infos zum Leonidensturm von 2001
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