Venustransit 2012,
Parallaxenmessung mit Hilfe der Sonnengranulation
2012 bot nochmal die Möglichkeit die klassische Messung
der Astronomischen Einheit zu wiederholen, die im 18ten Jahrhundert das erste
internationale wissenschaftliche Gemeinschaftsprojekt gewesen ist.
Halley hatte damals vorgeschlagen, die Transitdauer an zwei weit entfernt liegenden Punkten zu
ermitteln und daraus die Sonnenparallaxe zu bestimmen. Dies setzt voraus, dass vom Beobachtungsort
der Transit komplett gesehen werden kann. Das ist jedoch leider nicht immer gewährleistet. Darum wurde
die von Halley vorgeschlagene Methode in späteren Jahren um einige Varianten erweitert. Joseph-Nicolas
Delisle hatte die Idee, dass sich allein schon mit der Bestimmung der exakten Kontaktzeiten beim
Ein- oder Austritt die Parallaxe errechnen läßt.
Das Delisle-Verfahren setzt voraus das nicht nur Zeitlängen sondern auch Zeitpunkte
exakt bestimmt werden können. Zu Halleys Lebzeiten existierten dazu noch keine
ausreichend genauen Uhren.
Prinzipiell ist auch jeder andere Zeitpunkt des Transits zur Bestimmung der astronomischen
Einheit geeignet, sofern es einen Bezugspunkt gibt und der Aufnahmezeit identisch ist. Als
Bezugspunkt bieten sich neben dem Sonnenrand auch Sonnenflecken an. Allerdings weiß
man im Vorfeld nie, ob sich während des Transits in Venusnähe Flecken befinden werden.
Eine internationale Koordination wird dadurch schwierig. Zudem streifte die Venus in den
letzten Jahrhunderten stets den Nord- oder Südrand der Sonne. In hohen Breiten sind
jedoch nur selten Flecken zu erwarten.
Neben den Flecken wäre auch die Granulation als Referenzstruktur geeignet.
Dazu wurden bei unserer Nordkapexpedition jeweils zur vollen Stunde Bildserien angefertigt
in der Hoffnung das auch viele andere Amateure weltweit ihre Bilder ähnlich takten.
In Australien befand sich zu dieser Zeit Friedhelm Dorst der seine Bilder für
die Messung zur Verfügung stellte.
Der Abstand zwischen unseren Standorten am Nordkap und Yulara war
nahezu ideal. Kurz nach dem Eintritt war am Nordkap Mitternachssonne
und in Yulara war die Sonne erst kurz vor dem Eintritt aufgegangen.
Man beachte die Blickrichtung vom Nordkap über den Nordpol hinweg.
Am Nordkap wanderte die Venus vom Westen kommend über die Sonnenscheibe.
Ein Blink der Reihenaufnahmen zeigt die Parallaxe zwischen den Standorten.
Wenn man genau hinschaut, kann man erkennen, dass sich der Abstand der Linien
etwas verkleinert. Der Effekt ist real. Die Parallaxe bestimmt sich aus dem Winkel
den die beiden Standorte aus der Perspektive der Sonne bilden.
Dieser Abstand verringerte sich während des Transits durch die Erdrotation.
In Yulara stieg die Sonnenhöhe rasch an, während sie sich durch Polnähe
am Nordkap der Horizontabstand kaum veränderte.
Die folgenden Aufnahmen zeigen ein Stereopaar das in Yulara und am Nordkap um
1:53:50 UT.
Zur Auswertung wurden die Aufnahmen über mehrere Referenzpunkte
aufeinander transformiert und gemittelt. Danach wurden jeweils die Mittelpunkte
der beiden Venusscheiben bestimmt und der Abstand gemessen.
Der Abstand der beiden Venusscheibchen
inzwischen auf 31,8 Pixel bestimmt. Als Referenz für
die Umrechnung in Bogensekunden
soll die komplette Sonnenscheibe dienen.
Hier lag der Durchmesser bei 1688 Pixel. Der
Sonnenscheibendurchmesser lag gemäß der Software Stellarium
bei 31min 31,4sec. Das sind bei 1688 Pixel Sonnendurchmesser
und 31,8 Pixel Venusabstand genau 35,63 Bogensekunden.
Theoretisch kann mit dieser astrometrischen Technik Subbogensekundengenauigkeit erreicht werden.
In Yulara war die Position 131°01' Ost, 25°12' Süd, H = 500m ü. n.N.
in Norwegen war es 24:51:25 Ost und 70:28:33,9 Nord, H 216 ü.n.N.
Durch den Erdball ergibt sich ein Abstand von 10974km.
Dadurch dass die Basisstrecke im Winkel von 75,334° schief steht und nicht senkrecht
zum "Parallaxenobjekt" ist die effektive Basisstrecke um ca. Sin(75,334°) verkürzt.
Sie beträgt also ca. 96,74% der Entfernung Nordkapp-Yulare
Da die Sichtline aus der Sicht der Sonne um etwa 14,66 Grad verkippt war
ergibt sich eine eigentliche Basisstrecke für die Parallaxenmessung von:
10974km * 0,9674 = 10616 km
Zur Berechnung gibt es mehrere Lösungswege.
Mit dem Strahlensatz hat auch Johannes Guetter
gearbeitet. Eine sehr schöne Darstellung seiner Lösung für die gleiche Messung 2004 gibt es hier
Noch einfacher
als der Strahlensatz ist vielleicht die von Christian Kummer vorgeschlagene Variante über die Winkelsummen.
Ein PDF dazu kann hier geladen werden.
Die Berechnungsgrundlagen für die Messung 2012 wurden von Jürgen Michelberger zur Verfügung gestellt (Danke!).
Zur Ermittlung der astronomischen Einheit wird zunächst der Abstand Venus-Sonne in
astronomischen Einheiten berechnet. Dies geschieht über die Umlaufzeit mit dem dritten Kepplerschen Gesetz
Abstand Venus-Sonne = (Dauer Venusjahr / Dauer Erdjahr)^(2/3)
Ein Erdjahr dauert 365,25 Tage. Ein Venusjahr dauert 224,7 Erdtage. Damit ergibt sich ein Wert von 0,7233.
Da sich Venus und Érde im Aphel ihrer Bahn befanden war jedoch das tatsächliche Verhältnis Erdabstand zu Venusabstand 0,7155 (und der Kehrwert 1,3976).
Die AE ergibt sich indem man den Abstand Yulara-Nordkap (10616km) durch den Tangens des Winkelabstands (tan(1/3600 * 35.63)) dividiert und das
Ergebnis mit (1/(1,3976-1) multipliziert. Heraus kommen 154,56 Mio km.
Es ist allerdings
zu bedenken, dass die Erde am 6.6.2012 nahe des Aphels ihrer Bahn gestanden hat.
Die Erde war tatsächlich 1,0147 AE oder 151,8 Mio Kilometer von der Sonne entfernt.
So ergibt sich ein Messfehler von nur 1,8 Prozent. Das ist für eine Einzelmessung
schon ein guter Wert! Vor 200 Jahren wurden über 100 Messungen gemittelt und
der Restfehler lag trotzdem noch bei einem Prozent.
Die Hauptursache für die Restabweichung dürften Seeingeffekte sein,
auch ein kleiner Zeitfehler ist nicht ausgeschlossen.
Kurt Hopf bildete aus den Bildern vom Nordkap und Yulara
eine 3-D Stereopaar. Einmal als Schielbild und einmal
für Rot-Grün-Brillen.
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