Totale Sonnenfinsternisse


Am 11.8.99 war es endlich soweit. - Der seit fast 2 Jahrzehnten mit Spannung erwartete Tag der totalen Sonnenfinsternis war gekommen. Um eventuellen Wolken auszuweichen, war zur Beobachtung ein Platz etwa 20 km östlich des ungarischen Plattensees gewählt worden. Laut Wetterstatistik ist im August in der Puszta fast immer mit einer stabilen Hochdruckwetterlage zu rechnen. Während die Sonnenwahrscheinlichkeit in Deutschland nur bei max. 50% lag, sollte am Zielort die Trefferquote ca. 80% betragen. Um dem zu erwartenden Verkehrschaos zu entgehen, machte ich mich schon einen Tag vor dem Ereignis auf dem Weg. Die Bilder zeigen, dass die Reise einen glücklichen Ausgang nahm. - Doch leider sah es zunächst gar nicht danach aus. In der Nacht davor gab es heftige Gewitter und der Morgen begann mit wolkenverhangenen Himmel. Es kam die Sorge auf, dass die fast 1000 km lange Autofahrt am Ende sinnlos gewesen ist. Was wäre, wenn sich der Himmel in Deutschland öffnet und statt dessen die Beobachtung in Ungarn ins Wasser fallen würde? Glücklicherweise begann die Bewölkung ab ca. 10 Uhr aufzulockern. Die Geräte konnten ohne die Gefahr eines Wasserschadens aufgebaut werden. Im Vormittagsverlauf klarte es immer mehr auf, die partielle Phase konnte durch Wolkenlücken gut verfolgt werden. Es wurde immer wärmer. Der Standplatz war ein frisch abgeerntetes Getreidefeld. Das feuchte Stroh begann sich in der Sonne zu zersetzen und lockte zahlreiche Insekten an. 20 min vor der Totalität war der Bewölkungsgrad auf ca. 50 % gesunken, doch eine letzte grosse Wolke bedeckte noch immer die Sonne. Erst 10 min vor der Finsternis war klar, das sich der lange Weg gelohnt hat. Der Endorphinspiegel schoß in die Höhe, eine beispiellose Euphorie machte sich breit. Es war kaum noch möglich still zu stehen. Doch für einen Spaziergang war jetzt keine Zeit mehr. Die Sonnensichel wurde in den letzten Minuten immer schmaler, deutlich war zu sehen, dass die Mondscheibe nur wenig grösser ist als die der Sonne (unten 15 kb).
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In den letzten Sekunden ging alles sehr schnell. Die Restsichel schnurrte auf einen Punkt zusammen. Der Horizont nahm eine ockerartige Färbung an - die Korona wurde sichtbar! über den Köpfen der Menschen baute sich eine tiefdunkelblaue Kuppel auf. Im Zentrum des Doms stand als Schlussstein, die schwarze Sonnenscheibe umgeben von einem weit ausgreifenden Strahlenkranz. - Ein phantastischer Anblick, der mir ein fassungsloses 'Boah!!!' entlockte. - Dies war der einzige Laut in der totenstillen Landschaft. Die Insekten waren verstummt, alles schien andächtig zum Himmel zu schauen. Glücklicherweise waren alle zur Kamerabedienung notwendigen Handgriffe mit verbundenen Augen mehrfach geübt worden. Nach nur 35 Sekunden waren trotz fehlenden Winders alle geplanten Fotos im Kasten! Die kommenden 1,5 min wurden zur Feldstecherbeobachtung genutzt.
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Die Korona sieht visuell ganz anders aus, als dies Fotos vermitteln (oben 22 kb)! Riesige Arme mit etwa dem 4-fachen Sonnendurchmesser ragen vom Scheibenrand bis weit in den Raum. Deutlich war zu sehen, daß die Sonne sich zur Zeit in ihrem Aktivitätsmaximum befindet. Das Magnetfeld unseres Zentralgestirns hatte sich daher weitgehend aufgelöst, die geladenen Teilchen ihrer Atmosphäre orientierten sich nicht mehr in Bogenformen, sondern schienen als Stacheln auf der Sonne zu stehen. Im 7*35 Fernglas sah man die Protuberanzen als kleine grelle Leuchtfeuer. Auf den Fotos ist zu erkennen das sich eine dieser Gasfackeln von der Oberfläche gelöst hat, und sich frei schwebend durch das Weltall bewegte (unten 30 kb). Wenn solche Gaswolken mit der Erde zusammenstoßen, erzeugen sie Polarlichter.

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Diese Aufnahme(Ausschnittsvergrösserung 30 kb) entstand mit einem 100-ASA-Film bei 700 mm Brennweite und einem öffnungsverhältnis von 1:11 in nur einer 1/250 sec. Die am längsten belichtete Korona-Aufnahme benötigte dagegen volle 2 sec und zeigt dabei immer noch nicht die gesamte Ausdehnung der Sonnenatmosphäre. Die mit dem Auge beobachtbaren Phänomene einer Sonnenfinsternis besitzen einen extremen Kontrastumfang von etwa 1:10000. Dies kann weder per Film noch per Video abgebildet werden! Ein Ausweg ist, mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Belichtungszeiten übereinander zu legen und so näherungsweise den visuellen Eindruck wiederzugeben. Dies wurde bei der unteren Aufnahme (24 kb) versucht.
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Durch moderne Bildverarbeitungsalgorithmen ist es möglich diese Aufnahmen so zu verschmelzen, das der visuelle Eindruck fast wiedergegeben werden kann.

Durch die Staffelung wird deutlich, wie sich koronale Löcher und Streamer von innen nach aussen fortsetzen. Bei genauer Betrachtung der Polregion ist zu erkennen, dass schwache Magnetfeldreste noch immer die Korona beeinflussen. Der Effekt ist ähnlich wie bei dem aus der Schule bekannten Eisenfeilspäne-Magnet-Experiment. Bei der Vielzahl von sichtbaren Erscheinungen ist es schade das die Totalität so kurz ist. Selten werden mehr als 6 min erreicht. Diesmal war schon nach 2 min und 30 sec alles vorbei. Am westlichen Rand brach das Licht zwischen den Mondtälern hervor. Auf Fotos ist die dünne Chromosphäre als rötliche Perlenkette zu sehen. Der Himmel nahm langsam wieder seine hellblaue Farbe an. Auf hellen Flächen war für wenige Sekunden ein seltsames Wabern auszumachen. Es handelte sich um die 'Fliegenden Schatten' die durch Bewegungen an den Grenzen der Luftschichten entstanden. Auch die Insektenwelt erwachte langsam wieder zum Leben. Der zunehmende Lärm machte erst bewußt, wie still es zuvor gewesen war. Der helle Planet Venus war noch für einige Minuten problemlos am Taghimmel zu sehen. Dann kehrte die normale Helligkeit eines Sommertages langsam wieder zurück. Durch die Verfinsterung hatte es sich merklich abgekühlt. Den oft beschriebenen Finsterniswind konnte ich jedoch nicht beobachten. Es war sogar so, dass nach der Totalität eine absolute Windstille herrschte. Die thermischen Turbulenzzonen waren zusammengebrochen. Im rasch aufgebauten Newton-Teleskop waren für wenige Minuten zahlreiche Strukturen auf der Sonnenoberfläche zu sehen. Die flachen Berge am Mondrandes bildeten ein deutliches Relief. Leider brach das exzellente Seeing nach wenigen Minuten ein. Als die nachfolgenden Aufnahmen entstanden, hatte sich die Luftunruhe schon wieder deutlich verschlechtert. Trotzdem ist noch gut zu erkennen wie der abziehende Mondschatten langsam einen Sonnenfleck freigibt. ((Aufnahme unten rechts) .
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Nach der Totalität hatte der Bewölkungsgrad deutlich abgenommen. Vielleicht spielte dabei die Abkühlung eine Rolle. Als die untere Aufnahme entstand war der Himmel strahlend blau. Sie zeigt das verwendete Instrumentarium. Im Vordergrund der 60/700 mm Refraktor, dahinter der 114 mm Newton (47 kb).
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